Er hat ein spezielles Staufach für Ihren Helm in der Tür. Er hat Lüftungsschlitze für die Heckscheibe. Und er hat einen Dachspoiler, der an eine Tiara erinnert. Der Lancia Stratos HF Stradale sieht vielleicht ein bisschen seltsam aus, aber insgeheim ist er sehr lecker. Sehr, sehr gut.Bis in die 1970er Jahre gab Lancia seine Entwürfe bei Pininfarina in Auftrag. Das änderte sich, als Bertone, das andere berühmte italienische Designhaus, auf dem Turiner Autosalon 1970 den Vorhang für sein Stratos Zero-Konzept lüftete. Ein radikal gestaltetes Auto, das nicht einmal Türen hatte. Nein, man nahm im Stratos Zero Platz, indem man die Windschutzscheibe öffnete. Das Design verführte den PR-Mann von Lancia, Sandro Fiorio, und seinen Sohn Cesare. Die wiederum statteten dem damaligen Lancia-Chef einen Besuch ab.
Lange Rede, kurzer Sinn: Der damalige Chef - Ugo Gobbato - sah die Vorteile eines neuen Lancia auf der Grundlage von Bertones Stratos-Design. Aber er stellte die Bedingung, die Entwicklungskosten so niedrig wie möglich zu halten, indem er Teile mit Schwestermarken austauschte. Als Antriebsquelle sollte der V6-Motor aus dem Ferrari Dino dienen, der mit einem bereits vorhandenen Fünfgang-Schaltgetriebe gekoppelt war. Ein Jahr später wurde der Lancia Statos HF auf demselben Turiner Autosalon vorgestellt. Da blieben einem fast die Münder offen stehen.
KEINE EXTREMWERTE
Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, warum. Wir schreiben das Jahr 1971. Die Menschen gewöhnen sich gerade daran, dass Autos nicht unbedingt Kurven haben. Und jetzt kommt Lancia mit diesem seltsam geformten Objekt daher? Ein kurzer Radstand, eine niedrige und breite Karosserie, eine steil abfallende Nase, hochklappbare Scheinwerfer, futuristische runde Fenster und ein bescheidener Hintern mit großen runden Rückleuchten. Eine exotische Erscheinung, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen würde.
Die endgültige Straßenversion des Stratos HF, der Stradale, war nicht nur optisch beeindruckend. Enzo Ferrari erklärte sich nach einigem Hin und Her bereit, den gewünschten 2,4-Liter-V6-Motor aus dem Dino zu liefern. Dieser Motor leistete 190 PS und 225 Nm Drehmoment. Keine extremen Werte, aber dank des geringen Gewichts des Stratos genug, um das schicke kleine Auto in 6,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen. In kürzester Zeit erwies sich der Stratos HF Stradale als ein starkes Coupé.
Die Rallye-Version - ja, die gab es - war noch aggressiver als ihr Straßenbruder. Neben einem passenden Äußeren mit einer Batterie von Scheinwerfern auf der Nase wurde auch die Leistung erhöht. Auf dem Papier bedeutete das einen reinen Zugewinn, in der Praxis ging es darum, zu lenken oder zu schleudern. Eine Fehleinschätzung und schon war man neben der Strecke statt auf ihr. Dass auch die Technik gelegentlich den Geist aufgab, trug nicht gerade zur Zuverlässigkeit bei.
LOKAL
Für die Teilnahme an der Rallye-Meisterschaft der Gruppe 4 mussten 500 Straßenversionen des Stratos gebaut werden. Am Ende wurden nur 492 ausgeliefert. Nicht, weil sich das Auto nicht verkauft hätte, sondern weil die Auflage von 500 auf 400 gesenkt wurde. So war das damals. Der auf diesen Seiten abgebildete Wagen ist einer von ihnen. Er ist im schönsten Blauton gehalten, hat goldene Felgen und ist mit dem Originalmotor und -getriebe ausgestattet. Von allen wichtigen Teilen ist nur die Windschutzscheibe nicht original.
Das Wichtigste für ein solches Auto ist, dass es regelmäßig gefahren wird. Ein kurzes Aufwärmen und dann ungestört über kurvenreiche Landstraßen brausen. Nach einer Restaurierung, die mehr als zwei Jahre und sechzigtausend Dollar gedauert hat, ist dieser Stratos HF Stradale mehr als bereit für diese Arbeit. Sie hat nur 29.800 Kilometer auf dem Tacho und zwinkert Ihnen mit ihrem Klappscheinwerfer zu. "Kauf mich und ich zeige dir, was Autofahren wirklich bedeutet", lautet sein Lockruf.