Sie ist immer noch hyperintelligent und super sexy. Sie trägt immer noch Lederhosen. Und fährt immer noch in ihrem olivgrünen Porsche 911 herum. Fans wissen also Bescheid: Sofia Helin ist in Staffel 3 von The Bridge wieder als verkorkste Detektivin Saga Norén dabei. Gentlemen's Watch sprach mit der schwedischen Schauspielerin in Malmö. "Die Serie hat mich körperlich und seelisch fast zerstört", sagte sie.
Dieses Interview wurde in Gentlemen's Watch, Winter 2015/16, veröffentlicht.
Text: Eric le Duc. Fotografie: Lumière
Malmö, das schicke Clarion Hotel. In der Skybar mit Blick auf die Öresundquelle (Die Brücke!) warten wir auf unser Interview mit Sofia Helin. Die Hauptdarstellerin von "Die Brücke" ist pünktlich, begrüßt uns herzlich und setzt sich zu uns. Doch bevor wir die erste Frage zur brandneuen, dritten Staffel der Erfolgsserie stellen können, ergreift die Schauspielerin selbst das Wort. "Bevor wir beginnen, möchte ich etwas sagen. Und zwar, dass ich denke, dass alle europäischen Länder ihre Grenzen für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten öffnen sollten. Ich habe im Fernsehen gesehen, wie ein Vater und seine Tochter an der ungarischen Grenze verhaftet wurden. Wenn man vor dem Krieg flieht, muss man als Illegaler im sicheren Europa für drei Jahre ins Gefängnis gehen.
Vor zehn Jahren war Westeuropa noch ein Raum der Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Doch inzwischen haben wir unsere Unschuld längst verloren. Europa ist zu einem harten Kontinent geworden, der seine Ideale vergeudet hat und nur noch auf den Geldbeutel schaut. Wir sollten uns alle zu Tode schämen."
Tracker mit Asperger-Syndrom
Der Ton ist also gesetzt. Sofia Helin ist genauso geradlinig wie ihre Figur Saga Norén in Die Brücke. Doch während Sofia von Natur aus so ist, ist Sagas fast brutale Direktheit ein Symptom des Asperger-Syndroms. Diese Hirnstörung macht die schwedische Detektivin zu einer sozialen Außenseiterin, die regelmäßig mit ihren Vorgesetzten, Kollegen und jedem, der ihr über den Weg läuft, aneinander gerät. Wer erinnert sich nicht an die Szene aus Staffel 2, in der Saga in eine Bar geht und einen völlig Fremden fragt, ob er Sex mit ihr haben will. Nur um sich nach der Tat tot im Bett wiederzufinden, während sie sich die blutigen Tatortfotos ansieht. "Für meine Rolle habe ich viel über das Asperger-Syndrom recherchiert", sagt Helin. "Ich habe Bücher gelesen, Interviews angeschaut und mit Patienten gesprochen. Ich habe Briefe von der Asperger-Stiftung und von Menschen mit diesem Syndrom bekommen, in denen sie sich sehr über meine Rolle gefreut haben. Denn ich stelle Saga mit ihrem Asperger-Syndrom nicht als Patientin dar, sondern als Heldin.
Schließlich wurde das Asperger-Syndrom ein so großer Teil meiner Persönlichkeit, dass ich in meiner eigenen wahnhaften Welt gefangen war. Ein befreundeter Gehirnspezialist sagte mir damals, dass es gefährlich sein kann, für längere Zeit eine andere Person zu spielen. Das Gehirn fängt dann an, sich anders zu verhalten, was dazu führt, dass man glaubt, man sei diese andere Person. Zum Glück hat mir dieser Arzt dann beigebracht, wie ich mich von meiner Rolle distanzieren kann. Wenn ich nach einem Drehtag nach Hause kam, war ich noch eine Zeit lang im Saga-Modus. Aber nach einer Stunde war ich dann wieder die gemütliche Sofia."
Narben fürs Leben
Ihr gefährlicher Flirt mit dem Asperger-Syndrom zeigt das Können und die Hingabe der Schauspielerin. Doch so überzeugend sie die Detektivin aus Malmö auch darstellen mag, Saga Norén hat nichts mit der 43-jährigen Sofia Margareta Helin aus Hovsta, Schweden, gemein. Sofia ist einfach Sofia, glücklich verheiratet mit dem Pfarrer Daniel Götschenhjelm und Mutter des kleinen Sohnes Ossian und der kleinen Tochter Nike. Ob sie, wie Saga, Sportwagen mag? "Auch das nicht", lacht sie. "Ich interessiere mich nicht dafür und würde auch keinen haben wollen. Dass Saga einen Porsche fährt, ist übrigens ein Zufall. Als die Macher sie in Staffel 1 ein bisschen härter machen wollten, haben sie sich den Porsche von einem Mitarbeiter am Set geliehen. Es ist ein schrecklicher altes Fass mit rostigen Aufhängungen, einem verrotteten Getriebe und Türen, die fast herunterfallen. Es ist eigentlich nicht mehr zu verantworten, ihn zu fahren."
Nein, die einzige Ähnlichkeit zwischen Saga und Sofia ist die Narbe auf ihrer Oberlippe, eine Erinnerung an einen schweren Unfall im Jahr 1996. Sofia ist auf dem Weg zur Filmakademie, als ihr Fahrrad auf einer Brücke(!) in zwei Teile zerbricht. Sie stürzt, verliert das Bewusstsein und wacht in einem Krankenwagen auf. Erste Diagnose: mehrere gebrochene Knochen, eine Gehirnerschütterung, abgebrochene Vorderzähne und eine aufgerissene Lippe.
Schwierige, einsame Kindheit
Die Narbe fürs Leben hält die zwanzigjährige Sofia nicht davon ab, Schauspielerin zu werden. Der Unfall macht sie sogar noch entschlossener, später auf der Bühne, auf der Leinwand und in der Tube den Durchbruch zu schaffen. Denn die Schauspielerei ist nicht nur ein Ziel, sondern auch ein Ausweg. Nach dem Tod ihres Bruders und ihrer Großmutter (die bei einem Autounfall ums Leben kamen), einer Kindheit voller Drogenmissbrauch und "einer Scheidung" (zwischen wem, lässt sie offen), sieht Sofia die Filmschule als Ausweg aus ihren schwierigen jungen Jahren. "Am Anfang war die Schauspielerei nur ein Traum", erklärt Sofia. "Ich komme vom südschwedischen Land, wo ich mich zu Hause und in der Schule immer schick gemacht habe. Dann habe ich meine Familie und Mitschüler mit selbst erfundenen Geschichten und Theaterstücken unterhalten.
Während meiner schwierigen und einsamen Jugendzeit wurde die Schauspielerei immer mehr zu einer Flucht vor Sorgen und Stress. Indem ich mich von der Realität abkapselte und meine eigene Fantasiewelt schuf, konnte ich den schwierigen und dunklen Seiten des Lebens entkommen. Und die Narbe? Das habe ich schon vor langer Zeit akzeptiert. Sie hat mich nicht nur zu der Frau gemacht, die ich heute bin, sondern sie ist auch zu einem Symbol für mich geworden. Ein Symbol für die zweite Chance, die ich nach dem Unfall in meinem Leben bekommen habe, und für den Draufgänger, der ich am Ende geworden bin."
Schriftzeichen mit ausgefransten Rändern
Nach ihrem Debüt in der schwedischen Soap "Rederiet" und ihrem Durchbruch in der Tragikomödie "Masjävlar" ist Sofia Helin dank der Erfolgsserie "Die Brücke" nun ein Weltstar. In ihren echten Saga-Norén-Outfits (mit Lederhosen!) kommen regelmäßig weibliche Fans auf sie zu und bitten um Autogramme und Fotos. "Auch ich bin immer noch vom Erfolg der Serie überrascht", sagt die Schauspielerin, die selbst gerne True Detective, Homeland und den neuen Netflix-Hit Narcos sieht. "Ich habe keine einzelne Erklärung dafür, es ist eine Kombination aus verschiedenen Faktoren. Das größte Lob geht an die Autoren, die sich immer wieder spannende, düstere Geschichten mit faszinierenden Charakteren einfallen lassen.
Die Zuschauer fühlen mit den Protagonisten mit, weil sie Menschen mit Substanz, Schichten und ausgefransten Rändern sind, ob sie nun erkennbar sind oder nicht. Und vergessen Sie nicht die sozialen Themen in allen Staffeln. In Staffel 1 jagten wir einen politisch engagierten Mörder, in Staffel 2 einen Öko-Terroristen. Die Brücke ist ein Rätsel mit Tiefgang, auch in Staffel 3.
Die Brücke Serie 4?
Schließlich wollen wir wissen, ob es ein Leben nach der Brücke gibt. "Aber natürlich!" meint Sofia abschließend. "In Prag bin ich jetzt am Set des Spionage-Thrillers Berlin, der Geteilte Himmel. Das ist eine britisch-deutsche Miniserie über Berlin während des Kalten Krieges in den 1970er Jahren. Darin spiele ich einen englischen Geheimdienstoffizier, der die Geheimdienste auf beiden Seiten der Mauer undercover abbilden muss. Nach Prag steht zum Glück für eine Weile nichts mehr im Kalender. Denken Sie daran, dass die Dreharbeiten zu The Bridge 1, 2 und 3 körperlich und emotional zermürbend waren. Deshalb ist es für mich wichtig, zu mir und meinen Wurzeln zurückzukehren. Das bedeutet, gut zu meditieren, sich massieren zu lassen und Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Das ist es, was ich brauche. Ob es eine vierte Staffel von The Bridge geben wird? Keine Ahnung. Im Moment gibt es noch keine neuen Ideen, geschweige denn Verträge. Aber wenn den Autoren eine Geschichte über Saga Norén einfällt, die erzählt werden muss, ist es gut möglich, dass ich wieder mitmache."
Die Brücke Staffel 3
In der 3. Staffel von "Die Brücke" erweist sich Malmö wieder einmal als eine äußerst mörderische Stadt. Die Leiche einer Gender-Spezialistin wird in einer im Bau befindlichen Wohnung gefunden. Da Martin Rohde im Gefängnis sitzt, bekommt Saga Norén einen neuen, dänischen Kollegen zugeteilt. Doch dann bricht die Hölle los. Sagas neuer 'Komplize' wird durch eine Sprengfalle schwer verletzt, Mutter Norén kommt mit schlechten Nachrichten vorbei und... bald gibt es einen zweiten Todesfall.
Ride the Bridge Tour!
Sie sind ein Fan von The Bridge? Dann setz dich in dein Auto (am besten einen Porsche 911) und fahr die Bridge Tour! Fahren Sie zum Hafen von Malmö, wo Saga ihre Wohnung hat. Besuchen Sie das Stadion des Fußballvereins Malmö FF, in dem sich in Staffel 2 wichtige Ereignisse abspielen. Und natürlich halten Sie am Panoramapunkt Lernacken, von wo aus Sie einen atemberaubenden Blick auf den Protagonisten der Serie haben: die Öresundbrücke. Die Route, Hintergrundinformationen und Tipps finden Sie unter http://bit.ly/1LLgqkj